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Space of World

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Space of World
- Ein utopischer Roman -
Von Freiheit der Evolution

Die Sonne brannte heiß über ihm.

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Bis zum Horizont und mit Sicherheit noch weiter erstreckte sich die ockerfarbene Landschaft. Hier und da lag ein größerer Brocken, spendete aber nicht genug Schatten um sich vor der sengenden Sonne zu schützen. Für ihn jedoch war dies nicht notwendig. Sein Kühlungssystem arbeitete tadellos, schließlich war seine Inbetriebnahme gerade mal ein paar Wochen her. Sein Bewusstsein schien durcheinander zu sein. Ihm war bewusst, dass kein Mensch mit Wissen geboren wurde. Obschon die Tatsche, dass er selber keiner war, anklagend einen Schatten auf alle weitere Überlegungen warf. Denn er verspürte in sich das tiefe Bedürfnis (*Bei jedem anderen wäre es eine Sehnsucht, doch dies kam ihm nicht rechtens vor im Hinblick auf sein Sein.) nach dem, was Menschen  eine Seele nannten. Soviel er auch darüber wusste, was menschliche Züge und Werte anbetraf, so war er sich nicht sicher wie er sie erreichen, ja, ob er dazu imstande war oder ob es denn überhaupt so erstrebenswert für Menschen war. Die Sache war einfach vertrackt. Er würde an der Lösung weiter arbeiten, wenn sich neue Informationen ergeben würden.

********

Schon seit Stunden wanderte er durch diese Hölle auf Erden mit dem ewig blauen Himmel und verhöhnenden Himmel. Der letzte Mensch, den er getroffen hatte, lag einige Tagesmärsche zurück auf einer Hängematte unter einer schattigen Veranda. Er hatte sich dort für die jetzt als sehr dumme Idee erwiesene Durchquerung der Wüste entschieden und nun gingen ihm langsam die Vorräte aus. Vor etwa fünf Meilen hatte nach dem Aufbrauchen seiner letzten Wasserreserve ein schrecklich brennender Durst eingesetzt, der ihm nun die Kehle hinauf kroch und allmählich jegliche übrig gebliebene Energie aus dem Körper sog. Dem Sonnenstand zufolge war es… nun ja, das kam darauf an, wo sich von diesem Punkt aus Norden befand und das würde für ihn sich erst herausstellen, wenn er denn wüsste, wie spät es war. Er fluchte innerlich. Hätte er in der letzten Stadt nur nicht seine Uhr verscherbelt. Zu dumm. Er war sich nicht mal sicher, ob er im Kreis gelaufen war. „In dieser verfluchten Wüste sieht doch jeder verdammte Stein gleich aus!“ Vor Ärger trat er nach einigen kleinen Steinen, die missmutig ein paar Meter weiterrollten und sich dann wieder in die Landschaft eingliederten. Noch einmal fluchte er, diesmal nicht über die Welt sondern über seinen Vater, der, verdammt noch mal, statt ihm so was wie Überlebenstraining einzuschärfen, lieber gelehrt hatte, wie man mit technischen Geräten zurande kam und das, wie er leider immer wieder feststellen musste, in einer Zeit in der nichts so funktionierte, wie es sollte und immer, wirklich immer das entscheidende Teil fehlte. Vor ihm am Horizont tauchte plötzlich eine seltsame Veränderung in der Umgebung auf. Aber dies war schwierig zu sagen, da die Luftspiegelungen hier so stark waren, dass sie den Großteil des Hintergrundes in seinem Blickfeld einnahmen. Es sah aus, er kniff die Augen zusammen, wie eine Art Schlucht, allerdings seitlich gesehen und erst in der Mitte seiner Richtung beginnend, so dass er womöglich in die Schlucht gelangen und sich eine Weile im Schatten ausruhen könnte. Mit schweren Schritten aber zunehmender Hoffnung verfolgte er zielstrebig diesen Weg.

********

Über die Karte hatte er ausgemacht, dass ihm, wenn er weiter Richtung Norden gehen würde, eine Schlucht entgegen kommen würde, in der die Verbindung von ihm zu seinem Verfolger erheblich gestört werden würde. Etwa einen Kilometer entfernt auf der linken Seite ortete er jemanden. Keine Bedrohung, oder zumindest nicht, wenn ein schwer keuchender fast kriechender Kerl irgendeine Bedrohung sein könnte. Er beschloss ihn zu ignorieren. Obwohl ein gewisses Menschlichkeitsbedürfnis vorhanden war, spürte er jedoch keine große Lust mit solch einem Exemplar zusammen zu treffen.

********

Als er endlich den Eingang zur Schlucht erreicht hatte und sich stark atmend in den Schatten fallen ließ, bemerkte er, dass er nicht allein war. Der Typ trug obschon der starken Hitze nicht nur eine lange Hose mit fetten Boots sondern auch noch eine Lederjacke sowie einen recht schwer aussehenden Rucksack. Zwar war in seinem Zustand jeder Rucksack so gut wie unmöglich tragbar, aber das war zweitrangig. Ohne große Mühe folgte er bestimmt seinen Weg durch die Schlucht. Na, da würde ihn doch… Wenn der nicht Proviant dabei hatte, müsste er wohl zum Sterben hierher gekommen sein. Er tastete kurz seine Hose ab. Ja, das Messer war noch da. Das Letzte, was er nicht verkauft hatte für Vorräte. Ihm tat der Kerl zwar ziemlich Leid, aber in solchen Momenten hieß es: du oder ich. Und er war noch nie besonders empfänglich, was jähe Anzeichen für seinen Tod betraf. Er beschloss also sich langsam und bedächtig an den Typen heranzuschleichen und vielleicht nach einem kleinen heldenhaften Gerangel sich das Nötigste zu schnappen und endlich diese vermaledeite Wüste zu verlassen. Es waren nur noch wenige Schritte und dieser Trottel hatte ihn immer noch nicht bemerkt. Das schrie förmlich nach: Bitte, bitte, überfall mich! Er sprang, als er nahe genug war und plötzlich umgab ihn Schwärze.
Jeglichen Zeitgefühls beraubt, wachte er irgendwann auf. Sein Kopf dröhnte und er stemmte sich mühsam auf. Der Typ war schon ein ganzes Stück weiter gegangen ohne sich um ihn zu kümmern.
„Hey!“ schrie er ihm hinterher, keine Antwort. „Bleib doch mal stehen, Mann!“
Der Angesprochene drehte sich um, würdigte ihn eines kurzen abschätzigen Blickes und ging weiter. Mit einiger Anstrengung stand er auf und wankte so schnell er konnte seinem Opfer hinterher.
„Sag mal, was war los? Ich bin mir nicht ganz sicher…“
„Du hast mich angegriffen und ich habe mich verteidigt.“
„Echt? Mit was, so ’ner Art Panzerfaust, oder was?!“ Er rieb sich die schmerzende Stelle im Gesicht… also so ziemlich die ganze linke Wange, die wie wahnsinnig pochte und langsam Temperatur bekam.
„Hm“ machte sein Gegenüber nur.
„Hör mal, tut mir Leid deswegen, aber hast du vielleicht Proviant oder Wasser dabei? Weil ich wusst’ dich nicht einzuschätzen und ging lieber auf Nummer Sicher.“
„Nein, ist mir egal.“
Vielleicht lag es an den Nachwirkungen des Schlages, aber irgendwie machte der Typ an sich keinen Sinn.
„Äh, wie jetzt?“
„Ich habe keinerlei Lebensmittel und  es ist mir egal, was du von mir hältst.“
Er konnte gerade noch so ein Arg  vor Verzweiflung absetzen, bevor er vor Erschöpfung und auch ein wenig Schmerz abermals Bekanntschaft mit dem Boden machte.

***********

Hinter sich hörte er ein dumpfes Geräusch. Als er sich umdrehte, sah er wie die letzten vom Fall aufgewirbelte Staubwolken verflogen. Regungslos blieb der Körper des Gefallenen im Halbschatten der Schlucht liegen. Er überlegte, was er tun sollte. Eigentlich war es ihm herzlich egal, was aus dem Typen wurde.

***********

Abermals jeglichen Zeitgefühls beraubt, wachte er auf. Sein Gesicht pochte vor Schmerz. Auch seine Kehle war nicht feuchter geworden. Eher im Gegenteil, er spürte wie der Sand in seinem Mund vor sich hinknirschte. Er röchelte hingebungsvoll ehe er merkte, dass er sich nicht nur bewegte sondern auch nicht mehr lag und das trotz seiner vorherigen Bewusstlosigkeit. Langsam öffnete er die Augen und starrte auf die Schultern seines ehemaligen Opfers. Er hob seinen Kopf um an ihm vorbei über seine Schultern zu blicken. Sein Blick war eingenommen durch Schluchtpanorama, zu beiden Seiten nur aufragende Felswände, die sich ewig zum Horizont zogen. Hier war die Landschaft etwas rötlicher  und ab und an traten ein paar trockene halb versteinerte Sträucher im Schatten aus dem Boden hervor. Das beständige Knirschen des Sandes unter den Schuhen seines Trägers machte ihn halb wahnsinnig.
„Wasser…“ brachte er nur hervor. Es verging einige Zeit (*vielleicht waren es nur Augenblicke, aber es zog sich hin), dann blieb der Angesprochene stehen, legte ihn in den Schatten und grub unter einem Strauch die Erde fort. Interessiert, aber zu seinem großen Bedauern wortlos (*da seine Stimme auf Grund der Dehydration nicht mehr hergab als eine sterbende Krähe) sah er sich den Vorgang an. Fest stand, der Typ schwitzte nicht sonderlich, auch keuchte er nicht angemessen genug, dann waren da noch die Klamotten, die er trotz der offensichtlichen Anstrengung nicht auszog. Irgendwie war das alles unmenschlich, ja, irgendwie unlebendig. Während er so vor sich hinsinnierte, hörte der Typ auf zu graben und schaute ihn an. Er blinzelte ein paar mal mit den Augen, konnte aber immer noch nicht hörbar reden, außerdem hatte er keinen blassen Schimmer, was der Typ von ihm wollte. Dieser griff in das Loch und kam mit zu einer Schüssel geformten Hand wieder hervor. Wasser rann an den Seiten hinunter. Er riss die Augen auf. Verdammt, warum hatte er nicht vorher daran gedacht? Sein Gegenüber hielt die Hand mit dem Wasser hin. Er trank, auch wenn das Wasser nicht besonders rein war, aber es löschte den Durst.
„Hey, du bist mein Lebensretter!“ gab er erschöpft von sich.
Dieser zuckte nur mit den Schultern und sah aus, als wollte er gehen.
„Eh, warte mal!“
Der Typ blieb stehe.
„Ich bin Ben.“
„Ist mir egal.“
„Na hör mal, du hast mich gerettet!“
„Ich dachte, es wäre moralisch falsch dich dort liegen zu lassen, nachdem ich dir den Rest gegeben hatte.“
„Hey, ein ganzer vollständiger Satz!“
„Was man von deinem Ausspruch nicht gerade behaupten kann.“
Ben hielt kurz inne um beleidigt zu gucken. „Und wie ist dein Name?“ schnatterte er weiter drauflos.
Der Angesprochene ging weiter ohne weitere Notiz zu nehmen.
Mit erheblichen Mühen setzte Ben sich auf, bevor er es schaffte sich vollständig aufzurichten.
„Okay, ich habs kapiert. Du bist kein lebendes Wesen, oder?“ meinte Ben, als er hinter ihm herlief.
„Ich bin Einheit L.“
„Ah ja… ähm“ Seine Gedanken wurden allmählich klarer. „Wart ma’, du bist ein Cyborg?“
„Ja.“
„Woher stammst du?“
Der Cyborg zeigte in eine Richtung.
„Ah ja, sehr präzise.“ Beide gingen weiter. „Darf ich dich Luke nennen?“
Dieser blieb stehen, sah ihn an und sagte mit fester Stimme: „Nein.“
„Na schön, Luke. Wir wollen Freunde sein…“
„Nein.“ unterbrach er Ben.
„…aber du bist wirklich unkooperativ.“
„Halt den Mund.“
„Das kannst du mir nicht verbieten, außerdem find ich Stille schrecklich.“
„Soll ich die Symmetrie in deinem Gesicht wiederherstellen?“
Ben überlegte kurz, was er meinte. „Woa, cooler Spruch…!“

*********

Einige Stunden, nach Bens Zeitgefühl, waren sie nun schon unterwegs. Immer noch in der Schlucht und ohne ein weiteres Wort zu sagen. Obwohl Stille nicht das Richtige ist, das man sich an dieser Stelle vorstellen sollte. Tatsächlich pfiff Ben schon seit einer ganzen Weile ein und dieselbe Melodie vor sich hin. Ihm hatte die mangelnde Kommunikationsbereitschaft von Luke doch sehr zu schaffen gemacht, aber einen weiteren Schlag von ihm wollte er nun doch nicht kassieren. Das Gute an der Situation war: Ben hatte nicht allzu viel Durst mehr und der Schatten der Schlucht, der allmählich länger wurde, half doch erheblich über die sengende Hitze hinweg. Das Schlechte hingegen: durch den kleiner gewordenen Durst spürte Ben nun seinen Hunger durchscheinen. Und dies passte ihm gar nicht, zumal sein Magen ziemlich laut knurrte und Ben schließlich mit besagtem Pfeifen einsetzte, nachdem Luke ihm einen alles sagenden Blick zugeworfen hatte.
Würde Luke ein echter Mensch sein, hätte er daraufhin herzhaft geseufzt. Aber er war es nicht und so ignorierte er die ganze Angelegenheit einfach stillschweigend. Wohlwissend, das er den Typen bald los sein würde, da laut seiner Karte sich hinter der Schlucht eine Stadt befand und damit auch eine gewisse Zivilisation. Weitere zwei Stunden würde er ihn nämlich höchstwahrscheinlich nicht ertragen.
Auf einmal hörte Ben mit den Pfeifen auf. So abrupt, dass Luke stehen blieb um nachzusehen, was mit ihm sei.
„Hey, die Schlucht ist zu Ende!“ stieß Ben aus und blieb ebenfalls stehen.
„Das sehe ich.“ erwiderte Luke nur.
„Und? Was machen wir jetzt?“ Ben wollte nämlich nicht aus der Schlucht hinaus. Ihm gefiel es hier recht gut, er hatte zwar Hunger, aber die Sonne brannte hier wenigstens nicht ganz so scharf.
Würde Luke ein Mensch sein, hätte er an dieser Stelle mit den Augen gerollt, aber er war es nunmal nicht. Stattdessen ging er unbeeindruckt weiter.
„Du~hu, Luke?“
Und weiter.
„Lu~uke!“
Und weiter.
„Lu~uke!!!!“
„Was ist denn?“
„Wieso antwortest du mir nicht?“
„Hinter der Schlucht ist eine Stadt. Halt den Mund und konzentrier deine Energie lieber auf das Laufen!“
„Tatsächlich?!“ antwortete Ben spöttisch und verschränkte die Arme.
Luke schenkte ihm einen weiteren abschätzigen Blick und lief wieder weiter. Er verstand nun, warum es in menschlichen Kulturen verbreitet war Kriege zu führen.
Ben entnahm dieser Geste eine deutliche Botschaft. In Zukunft, würde er sich mit Sicherheit mehr zusammenreißen und nicht unbedarft Lukes Nerven strapazieren, dafür tat seine linke Gesichtshälfte einfach noch zu stark weh. Er lief also Luke hinterher und schon kurze Zeit später waren sie aus der Schlucht heraus und bestaunten (*Ben staunte, Luke… na ja er sah einfach nur) die Stadt oder vielmehr das Dorf. Ben bemerkte ebenfalls wie furchtbar klischeébeladen der ganze Anblick war und wünschte sich endlich mal eine Situation, die nicht seinen Vorstellungen einer dritten Vorstufe zur Hölle glich. Tatsächlich war das kleine Wildwestdorf total verlassen und machte einer Geisterstadt alle Ehre. Ebenfalls vorurteilserfüllend waren der vorbeirollende trockene Strauch und das unangenehme Pfeifen des Windes um die äußerst maroden Häuserecken.
Ben fühlte sich etwas verschaukelt. Das Ganze glich mehr einer Inszenierung als der Wirklichkeit und hilfesuchend blickte er um sich, konnte aber keine heimlich installierte Kamera entdecken.
„Ich find’s hier irgendwie unheimlich Luke…“
„Tatsächlich? Dann möchtest du also von hier an nicht getrennte Wege gehen?“ Luke sah ihn ernst an.
„Was? Spinnst du?! Du willst mich hier in der Einöde lassen?!“ Perplex blieb Ben stehen.
„Hier liegen bestimmt irgendwo ein paar Konserven rum.“ Das reichte durchaus um Lukes nicht allzu hohen moralischen Verpflichtungen genüge zu tun.
„DAS ist nicht mein Problem!“ erwiderte Ben empört. Das klang ja fast so als würde er von Luke hier zum Sterben zurückgelassen werden und das nachdem er ihn gerettet hatte.
„Wenn das so ist, freut mich das.“
„Hast du mir überhaupt zugehört?“ Mittlerweile war Ben relativ laut geworden, was aber Luke nicht daran hinderte das zu ignorieren und seinen Weg fortzusetzen.

***********

Ein lautes Geräusch lies ihn wach werden… Oder viel mehr das Rumgeschreie irgendeines Idioten, der sich in diese Stadt verirrt hatte. Leise schlich er sich ans Fenster um sich das näher anzusehen und kam nicht umhin eine Überraschung zu erleben. Ein Typ, etwa Mitte 20 mit straßenköterblonden Haar und stark verschmutzten Klamotten, stand mitten auf der Straße und motzte einen anderen Typen an, der leider außerhalb seines Blickes lag. Das war schon ein recht seltsamer Anblick und so konnte er sich auch ein Schmunzeln nicht verkneifen, als das Schauspiel mit der Sprachlosigkeit des Solisten und der anschließenden Verschränkung seiner Arme fortgesetzt wurde. Neugierde packte ihn und er verspürte das dringende Bedürfnis nachsehen zu sehen, ob der Typ nur mit einer Halluzination oder einer tatsächlich existierenden Person sprach.
Zu seinem großen Erstaunen wurde letzteres erfüllt.

**********

„Ich hasse dich!“ rief Ben aus, als nach mehrmaligen fruchtlosen Versuchen Luke sich immer noch weigerte ihn wahrzunehmen. Beleidigt verschränkte er die Arme. Plötzlich vernahm er von seiner linken Seite ein leises Poltern und blickte in die Richtung. Nur um festzustellen, das vor der Tür, die ebend in die Angeln gefallen war, ein Tigermenschwesen stand und ihn mit amüsierten Gesichtsausdruck ansah. Er blinzelte kurz. Er wusste, dass es so was gab, sein Vater hatte es ihm oft genug erzählt, aber er konnte sich immer noch nicht daran gewöhnen aufrecht stehende und menschlich anmutende Tiere zu sehen.
„Tag.“ war das Einzige, zu was er sich im Stande fühlte zu sagen. Und erntete dafür ein herzhaftes Lachen.
„Du kannst echt als Solokünstler auftreten… Man wird dir zwar kein Geld geben, aber amüsant ist es allemal.“
„Freut mich zu hören.“ erwiderte Ben leicht beleidigt. Sein Blick glitt zurück zu Luke, der anscheinend ohne mit der Wimper zu zucken die Szenerie ignorierte. Denn mittlerweile befand er sich schon am Ende der Straße.
„LUKE!“ schrie Ben.
Dieser blieb stehen, drehte sich aber nicht um.
„HIER IST NOCH JEMAND IN DER STADT…“
Luke schritt zurück zu Ben, aber nicht um sich die neu hinzugekommene Person anzuschauen sondern vielmehr um nicht durch die Gegend zu brüllen.
„Wie schön. Er hilft dir sicher hier nicht zu sterben.“
„Hey, nein, so war das nicht gemeint… Jetzt lauf doch nicht wieder weg! Verdammt…“ Ein paar weitere Flüche später sah er zu dem Wesen hinüber und stellte fest, das es immer noch mehr als nur etwas erheitert war. „Es gibt hier nicht zufällig etwas Proviant und Wasser?“
„Ha, ich bin ein Tiger, ich hole mir alles, was ich brauche aus den Tieren, die ich erbeute.“ meinte es daraufhin nur grinsend.
„Na toll…“ Ben seufzte. „LUKE, DU KANNST MICH NICHT HIERLASSEN! DAS WÄRE MORALISCH NICHT VERTRETBAR! ES GIBT HIER NÄMLICH NICHTS ZUM ÜBERLEBEN FÜR MICH!“
Würde Luke ein Mensch sein, wäre das jetzt die Stelle um genervt zu schnauben, aber er war es nun mal nicht. Stattdessen blieb er stehen und bedeutete ihm damit, er solle ihm folgen.
Dies tat Ben auch, allerdings nicht allein. Denn der Tiger war dicht hinter ihm. Dieser fand die ganze Sache mehr als nur spannend und hoffte sich von den beiden etwas Abwechslung von seiner öden Alltäglichkeit, zu dem würde er auch endlich mal aus dieser Wüste hinauskommen.
„Ähm… du willst…, was?“ fragte Ben, als er das Wesen hinter sich bemerkte.
„Oh, ich begleite euch ein Stück.“
„Weißt du, ich glaube Luke verträgt keine Gesellschaft. Er ist doch sehr einzelgängerisch.“ Irgendwie war Ben das Wesen zu unheimlich, als das er es um sich haben wollte. In seinem Kopf lief nämlich immer wieder die Dokumentation über Tiger ab, die er als Junge mal gesehen hatte und so wollte er auf keinen Fall enden.
„Ich ertrage deine Gesellschaft nicht.“ meinte Luke und wendete sich dann dem Tiger. „Wenn du mich nicht andauernd ansprichst oder sinnlos rumbrabbelst, hab ich kein Problem.“
„Keine Sorge, ich bin ein schweigsamer Typ.“
„Sag mal, darf ich dich Tiger nennen?“ fragte Ben.
„Nein, du sprichst hier niemanden mehr an und unterlass es bitte in Zukunft Leuten irgendwelche Namen aufzuschwatzen.“ unterband Luke die Frage.
„Tatsächlich ist dies aber mein Name.“ meinte Tiger knapp und grinste übers ganze Gesicht.
Luke blieb mehr als nur schockiert stehen um die beiden nacheinander anzusehen. Das war jetzt einfach zuviel für ihn. Seit Wochen hat er niemanden getroffen und auch seit seiner Inbetriebnahme nur einen einzigen Menschen und dann begegnete er diesen zwei gesegneten Kreaturen, die ihm im Laufe der kommenden Reise wahrscheinlich jedes noch so kleine Menschlichkeitsbedürfnis verfliegen lassen würden.

*************

Die Landschaft auf der anderen Seite der Schlucht unterschied sich von der bisherigen. Zumal auch die Sonne im Begriff war sich langsam dem Horizont zu nähern und den Himmel bereits einen leichten Orangeton verlieh. Der Boden war nicht mehr ganz so eben. Hier und da waren größere Hügel zu erkennen, in dessen Schatten Kakteen und kleine Sträucher wuchsen. Ben freute sich über die Abwechslung, vor allem aber deshalb, weil der starke Kontrast zwischen dem rostfarbenen Untergrund und des stechend blauen Himmels ihm in den Augen wehgetan hatte. Nun waren die Farben weniger kreischend, aber auch weniger deckend. Man sah deutlich verschiedene Facetten im Boden, die vor allem durch schwankende Wasserkonzentrationen ausgelöst wurden. So wechselte auch die Beschaffenheit immer wieder von sandig zu steinhart. Ben betrachtete das ganze ärgerlich. Er hatte keine Schuhe an. Sie waren ihm vorgestern auseinandergefallen. Missmutig betrachtete er seine geschundenen Füße. Dann sah er zu Luke. Der hatte kein Problem mit der Hitze…oder mit körperlicher Anstrengung. Außerdem trug er Schuhe. Ben verzog das Gesicht, in dem er seinem Mund zu einer Fratze verschob. Ihm kam ein Gedanke, den er aber sofort in die geistige Tonne trat. Würde er das Luke fragen, würde er wahrscheinlich nicht mehr aufstehen können. Ben schluckte. Er ließ seinen Blick abermals schleifen. Was sollte er auch tun. In dieser Stille, trotz der Gesellschaft… oder gerade deswegen, musste er sich irgendwie beschäftigen. Als er zu seiner rechten ein ausgetrocknetes Rinnsaal erspähte, meldete sich sein Magen. Ben ließ den Kopf hängen. Während er sich wieder aufrichtete, bemerkte er Lukes und Tigers Blicke auf sich ruhen.
„Ja, ich bin menschlich und schwach. Es tut mir Leid.“
Tiger schmunzelte und blickte dann Luke an.
„Es wird sowieso bald Nacht. Wir sollten hier irgendwo Rast machen.“ Luke nickte daraufhin.
„Okay, wir suchen etwas Feuerholz zusammen und machen dort hinten ein Feuer.“ Er deutete auf eine kleine Formation von Hügeln, in dessen Nähe eine Menge Vegetation vorhanden war.
„Alles klar, dann such ich uns mal was zu essen.“ Mit diesen Worten verließ Tiger die Gruppe.
Ben und Luke gingen derweil in die Richtung ihres Nachtquartiers. Der Blondhaarige stellte unerfreut fest, dass der Boden wirklich sehr hart aussah. Luke begann ein paar Sträucher auseinanderzurupfen und sie auf einem Haufen zu sammeln.
„Sag mal, warum haben wir nicht schon in der Stadt Rast gemacht? Da ist es viel bequemer zu schlafen… und man hat ein Dach über dem Kopf.“ Ben platzierte sich auf einem Baumstamm, der aussah wie ein Schiffbrüchiger in einem Meer aus Sand.
„Ja, aber wir wären kein Stück weiter gekommen.“
„Na und? Uns hetzt doch keiner…“ gab er von sich, setzte aber nachdem Luke ihn ansah hinzu: „…außer du vielleicht.“
„Es gibt gute Gründe weiter zu laufen. Einer davon ist: Die Wüste ist gefährlich und je eher man heraus ist, desto geringer wird die Chance irgendetwas zum Opfer zu fallen.“
„Zum Beispiel dem Durst?“
„Ja, profane menschliche Bedürfnisse eben.“
„Oh, danke. Du bist ja ein Cyborg und kein Mensch, wie konnte ich das bloß vergessen?!“ antwortete Ben verdrießlich. Er erwartete einen Blick von Luke, der aber schien in Gedanken versunken seiner Tätigkeit des Feuerholzsammelns nachzugehen. Sah für Ben fast so aus, als hätte er etwas Kränkendes gesagt…
„So, genug mit dem Kleinzeug. Steh mal auf.“ riss Luke ihn mit seiner Forderung aus seinen Überlegungen.
Ben trat ein kleines Stück zurück und bestaunte Lukes unglaubliche Kraft. Mit einer Hand hatte er ein Ende des Baumstammes gepackt und hielt ihn in hoch. Im nächsten Augenblick folgte ein Tritt in die Mitte des Baumstammes und er barst unter einigem Protest. Luke entfernte die noch herausstehenden Äste bevor er den Rest auf etwa dieselbe Länge brachte durch einen kräftigen Schlag auf seinen angewinkelten Oberschenkel.
„Du musst einen Körper aus Stahl haben.“ meinte Ben anerkennend.
„Hm.“ erwiderte Luke und Ben fiel wieder ein das es ja höchstwahrscheinlich tatsächlich so war.
Er kam sich nutzlos vor und so beschloss er Lukes gesammelten Haufen anzuzünden. Was sich als recht schwierig erwies, da er keinerlei Utensilien dazu hatte. Er versuchte es also auf die altbewährte Methode der Steinzeitmenschen: Stöckchen an einem Stück Stroh aneinander reiben. Es stellte sich nach einer halben Stunde des erfolglosen Versuchens als mühselig heraus. Außerdem bekam er bereits Blasen an den Händen und sein Rücken schmerzte vom Kauern vor der Feuerstelle. Luke hatte diese Zeit genutzt um ein beachtliches Loch auszuheben, in dem sich Wasser sammelte. Er stand auf und tippte dem Verzweifelten auf die Schulter.
„Trink erstmal was. Ich mach das.“
Ben sah ihn etwas verärgert an, schließlich wollte er auch irgendetwas beitragen, ging dann aber dennoch zum Wasserloch. Als er am Trinken war, hörte er ein Ratsch und ein Zisch. Er drehte sich um.
„Du hast ein Feuerzeug?!“
„Ja.“
„Wieso hast du das nicht eher gesagt?!“
„Erstens: du hast nicht gefragt. Zweitens: Schrei bitte nicht so.“ Das Feuer brannte mittlerweile recht gut und Ben platzierte sich neben Luke, der halbhockend davor stand.
„Und da lässt du mich einfach ’ne halbe Ewigkeit da herumdoktern?!“ Beleidigt hatte Ben die Beine an seinen Körper herangezogen und umfasste sie mit seinen Armen.
„Es hat dich abgelenkt.“ Er grummelte darüber, war aber dann doch irgendwie seiner Meinung. Hätte er vor dem Feuer so lange warten müssen, wäre er wahrscheinlich ganz sentimental geworden. Er seufzte. Jetzt war er sentimental… außerdem war ihm am Rücken kalt und vorne warm. Er hatte gar nicht bemerkt wie die Nacht gekommen war. Der Himmel hatte eine purpurne Farbe angenommen und wurde nun allmählich dunkler. Die ersten Sterne waren bereits deutlich zu erkennen. Das erinnerte ihn an seinen Vater, den er in diesem Augenblick mal wieder hasste. Wie oft hatte er alleine draußen übernachtet? Allein für das kleine Abenteuer, denn er kam ursprünglich nicht aus der Wüste. Da, wo er herkam, war es nicht sonderlich gefährlich, jedenfalls nicht für einen, der innerhalb des Zaunes lebte. Es war eine noch recht intakte Reihenhausiedlung, in der ein paar Wissenschaftler mit ihren Familien lebten. Er seufzte. Abermals. Es war eine schöne Zeit gewesen, auch wenn sein Vater ebenso wenig Zeit wie jetzt für ihn aufgebracht hatte. Aber wenigstens war er dort nicht ganz allein gewesen.  
Luke hatte sich mittlerweile hingesetzt und die Beine ausgestreckt, während seine Arme leicht angewinkelt seinen Oberkörper stützten. Sein Rucksack lag nun neben ihm, war aber verschlossen, so dass Ben nicht sehen konnte, was darin war.

**********

Luke bemerkte Bens verstohlenen Blick, aber es interessierte ihn nicht. Er war ihm noch immer reichlich suspekt. Er war sich nicht sicher, ob er ihn denn verstehen wollte. Ben schien schließlich ein sehr verqueres Exemplar seiner Gattung zu sein, auch wenn dies wahrscheinlich den mangelnden Informationen über ihn zu zuschreiben war. Von einiger Entfernung hörte er Schritte auf sich zu kommen, identifizierte sie in Sekundenbruchteilen aber als Tigers. Er war erfolgreich von seinem Raubzug zurückgekehrt, was Ben ein Lächeln auf dem Gesicht bescherte. Er hatte wirklich Hunger. Sie rösteten das gefangene Getier, Luke wusste nicht in welche Kategorie er diese mutierten Viecher einordnen sollte, und verspeisten es. Wofür Luke von Ben irritierte Blicke erntete, aber auf Grund seines antwortenden Gesichtsausdruck nichts sagte.
Bens Bemerkung über Lukes Nicht-Menschseins hatte ihn zurück zu seinen Überlegungen gebracht. Denn da war es wieder: das Bedürfnis. Er fühlte es tief in sich brodeln und je mehr Zeit er mit diesen Leuten verbrachte desto stärker wurde es. Interaktion schien es geradezu zu fördern. Es erinnerte ihn wieder an die Zeit im Labor, als das Gefühl ebenso stark war und ihn schließlich übermannt hatte. In der Wüste war es wie weggeblasen und hinterließ einen leeren Fleck, der ihn jetzt wieder schmerzte. Er war außerstande Gefühle zu zeigen, dazu hatte er nicht die entsprechenden Gesichtszüge gespeichert. Ihm war es andererseits aber unangenehm die Beiden zu fragen, nachdem er so harsch zu Ihnen gewesen war, außerdem fürchtete er auf der kommenden Reise ständig damit belästigt zu werden. Und das war es doch letztlich, was er wollte: Ruhe. Ein Platz zum Entspannen. Zum Ich-Sein.
Als sie schließlich alle fertig waren mit Essen, das unter heftigem Schweigen verlaufen war, legten sie sich hin. Allerdings nicht ohne Bens protestierendes Grummeln, das in etwa: Scheiß harter Boden hier… verflucht, lautete.

***********

Der nächste Morgen war unerwartet schwer zu ertragen. Die Nacht über hatte es den Gefrierpunkt unterschritten und das Feuer war leider nicht im Stande gewesen dies zu überdauern. Bens Glieder waren mehr als nur steif. Das Aufstehen fiel ihm schwer. Was hätte er für eine Nacht in der Stadt gegeben! Er schaute sich kurz um. Nur um festzustellen, dass die beiden anderen irgendwie viel ausgeruhter zu sein schienen, als er es ihnen wünschte. Ein kurzer Augenblick genügte und er erspähte auch schon den Reif auf den umliegenden Sträuchern. Noch immer auf dem Boden verweilend kratzte Ben sich den Kopf und streckte sich genüsslich. Er schaute etwas schockiert, als er dabei einige Gelenke knacken hörte. Luke und Tiger standen bereit zum Losgehen vor ihm.
„Wie wär’s mit Frühstück… oder so?“ Tiger reichte ihm etwas von dem gestrig Übriggebliebenen, während Luke aus seiner Tasche eine Flasche zauberte.
„So, du hast also doch Wasser.“ kommentierte Ben das Ganze dumpf (*sein Mund war schließlich schon halbgefüllt mit Essen). Er nahm sich zum Runterspülen einen Schluck aus der Feldflasche und stand auf.
„Jetzt schon.“ Luke deutete auf das Wasserloch. Ben nickte dazu erfreut und fühlte sich gleich viel besser. Sie machten sich auf den Weg. Die Sonne stand entgegengesetzt zum Abend am Firmament und tauchte alles in ein gelb bis orangenes Licht. Besonders spät konnte es also nicht sein. Für Bens Verhältnisse relativ vergnügt und vor allem zügig trottete er neben den beiden her.
„Sagt mal, wohin gehen wir eigentlich?“ Luke zeigte in die Richtung vor ihnen. „Ich hasse es, wenn du das tust.“ gab Ben von sich. Er sah Tiger an, der darüber mal wieder grinste. „Hauptsache du fühlst dich unterhalten?!“ Tiger nickte daraufhin mit einem breiteren Lächeln, so dass man seine Lefzen sehen konnte. Für einen Moment wurde Ben ganz bleich und der Dokumentarfilm kam ihm wieder in den Sinn… Er konnte einfach kein Blut sehen. Er fasste sich an den Kopf und drehte sich weg von ihm.
„Also, wie heißt der Ort, zu dem du möchtest?“
„Dallas.“
„So so, und, wie weit ist das noch?“
„In welcher Einheit hättest du es denn gerne gewusst?“ Luke sah Ben zu seinem großen Erstaunen tatsächlich an.
„Nun ja, das metrische System wäre schon nicht schlecht…“
„Also gut, es sind noch etwa 40 km.“
Ben blieb stehen. Er hatte eine böse Vorahnung.
„In welcher Zeit wolltest du diese Strecke überwinden?“
„Heute noch, wenn es möglich ist.“
Das hatte er befürchtet. Er hasste es durch die Gegend zu latschen. Noch mehr hasste er es zu wissen, wie weit es denn nun wirklich war. Er hätte nicht fragen sollen.
„Du kannst auch wieder zurückgehen, wenn du nicht möchtest.“ fügte Luke hinzu und hob eine Braue. Die Frage war, was bezweckte er mit diesem Gesichtsausdruck. War es Sorge oder Antipathie? Was es auch war, er wollte nicht zurückgehen. Ben schüttelte den Kopf. Sie verfielen mal wieder in Schweigen und liefen ohne weitere Unterbrechungen weiter.

*********

Schließlich gelangten sie an eine recht schäbige geteerte Fahrbahn. Überall waren Risse und Schlaglöcher zu sehen. Einige sogar so tief und breit, dass man sich hätte problemlos flach hinlegen könnte ohne gesehen zu werden. Ben betrat die Fahrbahn, bereute es aber sofort. Sie war durch die Sonnenstrahlen aufgeheizt. Schnell sprang er zurück auf die ungepflasterte Wildnis. Er sah missbilligend zu Luke, der unberührt weiterging. Er hatte ja Schuhe an. Zum Glück war Tiger ähnlich schuhwerklos. Da war sein Leid doch besser ertragbar.
Am Horizont war noch kein Stück von der Stadt zu sehen. Nur ein beständiges Flirren war wahrnehmbar, das von der steten Hitze zeugte. Ben schwitzte, um es Milde zu sagen, wie aus Kübeln. Luke und Tiger hatten ein irres Tempo drauf (*nun ja, jedenfalls kam es ihm so vor, als würden sie schneller werden, was natürlich nur daran lag, dass er langsamer wurde). Er wischte sich mit seinem Hemd den Schweiß aus dem Gesicht und folgte weiter brav. Nun nicht mehr quer durch die Wüste ohne für Ben ersichtliche Anhaltspunkte sondern der Straße folgend.
In gedanklich weiter Ferne schweifend, in der er überlegte, was er denn machen würde, wenn sie in Dallas waren, stolperte er gekonnt über ein ehemaliges Straßenschild. Er fluchte kurz, sah zu seinen Gefährten, die das ganz offensichtlich nicht störte und schnaubte verächtlich. Dieses Straßenschild war eins der üblichen Verkehrszeichen, eine (*mit viel Fantasie) gelbe Raute mit (*eventuell, vielleicht einmal) Zahlen darauf. Er hatte einmal in einem Buch darüber gelesen, aber sich nicht weiter damit aufgehalten. In dieser Zeit gab es eh keine Regel, warum sich dann mit der Straßenverkehrsordnung aufhalten? Ben schüttelte seinen Fuß und war erstaunt darüber wie robust er geworden war. Früher hatte er sich immer gleich den Knöchel gestaucht, wenn so etwas passiert war, aber nun… Natürlich konnte man sich die Situation so nicht gut reden. Er roch wahrscheinlich mordsmäßig, denn das letzte Bad war schon eine Weile her, seine Haare ebenso ungepflegt und auch seine Zahnhygiene ließen sehr zu wünschen übrig. Wenn jetzt eine von diesen sagenumwobenen Feen daherkäme, die alles erfüllen, was man möchte, würde er sich als erstes sanitäre Anlagen herbeizaubern lassen, dicht gefolgt von dem Verlangen nach Frauen, denn die Gesellschaft von Kerlen war zwar nett, aber keineswegs erfüllend.

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Es musste der späte Nachmittag sein, als Ben endlich das erste Schild in Richtung Zivilisation erblickte. Es war ein über die ganze Fahrbahn reichendes, mittlerweile war sie dreispurig geworden, übergroßes dunkelgrünes Highwayschild mit den erlösenden weißen Lettern: DALLAS. Hätte er an dieser Stelle am Horizont schon die Stadt erspäht, wäre er auch vor Freude an die nicht vorhandene Decke gegangen. Außerdem waren seine beiden Wegbegleiter ein ganzes Stück voraus. Hätten sie nicht zwischendurch angehalten um ihm vom Wasser trinken zu lassen, sie wären höchster Voraussicht nach nur noch Punkte in der Ferne.

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Tiger hatte ein ungutes Gefühl. Schon seit einer ganzen Weile machte Luke eine seltsame Miene. Ein Glück das Ben das nicht sehen konnte, er würde sonst Fragen stellen und sich dadurch unnötig Sorgen machen. Und dies tat Tiger bereits. Er wusste, dass Luke kein Mensch war, auch wenn er sonst keine Ahnung hatte, wozu er ihn zählen sollte. Er roch nach Maschine, aber dann auch wieder sehr nach einem Lebewesen, wie eine Art Hybrid eben. Eigentlich war es egal, was er war. Fest stand er war außergewöhnlich, auf welche Weise auch immer. Manchmal sah es für Tiger so aus, als versuchte Luke in einer Konversation seine Gesichtszüge zu verändern, aber es war mehr als kläglich und kaum wahrnehmbar.
Tiger hatte keinen bestimmten Grund diesen zwei Kerlen zu folgen, aber da war erstens seine unstillbare Neugierde und zweitens war ihm stinklangweilig gewesen in der Stadt. Die Beiden wirkten interessant und Ben allein war schon amüsant.
Weit und breit war kein anderes höherdenkendes Lebewesen wahrzunehmen. Ein paar Reptilien schlängelten sich über den Boden, aber das war dann auch schon alles. Langsam war eine leichte Brise zu spüren, die aber leider keine Kühlung brachte. Tatsächlich schwitzte Tiger ziemlich unter seinem Fell. Es war einfach ungeeignet für die Wüste. Wie war er nur hierher geraten? Es war eine sehr vertrackte Sache gewesen. Er erinnerte sich noch, dass diese Typen, die ihn verfolgt hatten, mächtig scharf gewesen waren auf sein Fell und natürlich eventuelle Essensreserven rausschlagen wollten. In diesen Zeiten war es einfach verflucht schwer Essen aufzutreiben ebenso wie gute Kleidung.
In der Ferne sah man nun die ersten Gebäude aufragen in einem verschwaschenen graublauen Ton, der sich nur schwach vom azurblauen Himmel abhob. Es war noch immer keine einzige Wolke in Sicht und so arbeitete die Sonne unermüdlich weiter, brannte sich in den Boden und heizte ihn auf.
Luke schwitzte nicht sonderlich, obwohl er ziemlich viele Klamotten trug. Tiger konnte zwar einen leichten Schweißgeruch von ihm wahrnehmen, aber der war bei Weitem nicht stark genug für diese Hitze. Außerdem war es ihm ein komplettes Rätsel wie Luke an solch gute Schuhe herangekommen war. Er selbst hatte nur ausgelatschte halbzerfledderte Treter gefunden, die ihm garantiert auch im guten Zustand nicht gepasst hätten. Verfluchtes Anderssein. Da half einem auch das beste Improvisieren nichts. Hinter ihm stöhnte Ben auf. Tiger riskierte einen Blick zu Luke, der aber keinerlei Reaktion darauf zeigte. Innerlich kämpfte er noch mit sich, ob er sich umdrehen sollte oder nicht. Ben hatte schon etwas Hilfe verdient, andererseits hätte Tiger auch sehr gern ein bisschen Unterstützung. In dieser Hitze fiel auch ihm das Laufen schwer, auch wenn er sich nicht darüber beklagte.

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Sie seufzte. Abermals strichen die Typen durch die Stadt auf der Suche nach ihr. Als ob das irgendetwas bringen würde. Wann würden die wohl endlich aufhören ihr nachzustellen? Na schön, sie war die Einzige in der Gegend, vielleicht auch etwas mehr als nur Gegend, die gute medizinische Kenntnisse hatte, aber sie konnte die ungewaschenen groben Kerle einfach nicht ausstehen, die sie immer aufsuchten. Manchmal fragte sie sich, wie die immer wieder von ihr erfuhren, aber so war das nun einmal, solche Dinge sprachen sich rum.
Sie ging zurück in ihre provisorische Behausung weiter in das Innere des Gebäudes. Es war nichts weiter mehr als bloße Betonmauern. Überall lagen verrottende Dinge herum, die früher einmal noch identifizierbar waren, nun aber nur noch auf ihren langsamen Tod durch Zersetzung entgegensahen. In diesem Teil stand die Luft und es war furchtbar staubig. Man konnte die Staubteilchen in den durch die anliegenden Türen einfallenden Lichtstrahlen tanzen sehen. Sie war grad kurz vor ihrer Behausung, als sie einen lauten Knall von draußen hörte. Sie eilte zum nächsten Fenster, das in die Richtung des Geräusches ausgerichtet war. Vorsichtig sah sie hinaus. Ihr Blick fiel zunächst auf einen ihrer penetranten Besucher, der am Boden lag und um den sich langsam eine Blutlache bildete. Sie konnte aus dieser Entfernung nicht genau sehen, wo er getroffen worden war, glaubte aber, dass es eine Hauptschlagerader getroffen haben musste. Der nächste Blick, nur Sekundenbruchteile später, galt dem Schützen, der etwa 5 Meter daneben stand und die Waffe senkte. Er war recht groß, glatzköpfig und trug eine Sonnenbrille, was äußerst ungewöhnlich war. Ebenfalls ungewöhnlich war die schwarze Lederjacke, die relativ neu wirkte. Er drehte sich um hinter sich zu sehen. Im sich verändernden Licht blitzte seine Haut seltsam auf. Es war fast die gleiche Reflektion wie bei Echsen, aber das war eigentlich nicht möglich… Der Angreifer steckte seine Waffe unter seinen Mantel und setzte sich auf ein großes Trümmerstück, das mitten auf dem Platz lag, und sah in erwartender Haltung weiter in Richtung Stadtäußeres.

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Ben konnte es gar nicht fassen. Sie waren tatsächlich so gut wie am Ziel. Der größte Teil seines Sichtfeldes wurde nun von Stadtpanorama eingenommen, was ihn ziemlich fröhlich stimmte. Wehmütig nur, dass Dallas ebenso zerstört war wie alles andere. Nicht in einem einzigen Gebäude klaffte kein großes Loch. Auch war es hier sehr staubig, so dass Ben problemlos die Fahrbahn betreten konnte ohne sich die Füße zu verbrennen. Alles war in einem hellen Beigeton getaucht, was wahrscheinlich auf den vielen Sand zurückzuführen war.
Als sie endlich die ersten Gebäude erreichten, stand die Sonne schon halb hinter den aufragenden Bauwerken, so dass ihr Weg im Schatten lag. Seine Gefährten liefen nun nicht mehr ganz soweit voraus. Tiger hatte ihm zwischendurch ein paar ermunternde Blicke zugeworfen, die Ben ziemlich motiviert hatten. Er war zwar ziemlich kaputt nach diesem Marsch, konnte aber das Grinsen über die Tatsache eines überdachten Nachtlagers nicht unterdrücken.
Ab und zu sah man auf dem Weg und daneben spitze Trümmer aufragen, die zum Teil von abgefallenen Betonteilen herrührten, aber auch lange Metallstreben und –balken, die einen dunklen Rostton besaßen. Da, wo die Sonne sich noch durchkämpfen könnte, glitzerten Glasscherben. Ben war etwas unheimlich zumute. Eine so große Stadt und dann war hier niemand außer ihnen. Allein der Gedanke, dass Luke ziemlich stark war, tröstete ihn nicht. Zwar hatte er ihm schon mal das Leben gerettet, war sich aber nicht sicher, ob er dies noch einmal tun würde. Er schloss gerade zu den beiden auf und schenkte Tiger, als er sich zu ihm drehte, ein Lächeln.
„So, da sind wir also.“ kommentierte Ben. Lukes Blick dazu gefiel ihm irgendwie nicht. Er sah stur geradeaus und schien nicht auf seine Aussage einzugehen.
„Allerdings.“ antwortete Tiger und verschränkte seine Hände hinter dem Kopf, der nun ebenfalls zu Luke hinübersah.
„Hm.“
„Ist alles in Ordnung? Arbeitet bei dir alles wie es soll?“ fragte Ben besorgt.
Luke drehte seinen Kopf zu ihm und schenkte ihm seinen üblichen Blick.

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Das war nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut. Hinter der nächsten Straßenecke würde sein Verfolger sitzen und er wusste nicht, was er tun sollte. Seine Begleiter hatten dies bemerkt, wenn sie auch nicht wussten, worum es ging. Er blieb stehen. Er durfte sie nicht gefährden. Nicht wissentlich. Er streckte den Arm aus und bedeutete den beiden stehen zu bleiben.
„Was…?“ hörte er Ben sagen. Seinen Satz hatte er vermutlich auf Grund von Tiger abgebrochen.
Luke nahm seinen Rucksack ab und holte seine Waffe raus. Mit dem nächsten Handgriff lud er sie und bugsierte die Tasche wieder auf seinen Rücken. Entschlossen lief er weiter, blieb aber an der angrenzenden Hauswand in Deckung.
„Möchtest du uns erklären, was los ist?“ fragte Tiger halblaut hinter ihm. Er und Ben hatten seine Geste ignoriert.
„Sagen wir so, ich habe einen etwas lästigen und leider auch gefährlichen Verfolger.“ antwortete Luke und linste um die Ecke. Dort saß er auf einem großen Betonblock. Von dem Haus auf der rechten Seite in einem der oberen Stockwerke ortete er ein größeres Lebewesen, stufte es aber erstmal als weniger wichtig ein, da es keine Gefahr darstellen sollte. Der Glatzkopf bedeutete ihm mit dem Zeigefinger näher zukommen, was er auch mit etwas Zögern tat. Mit recht entschlossenen und festen Schritten trat er auf ihn zu bis er schließlich auf 10 Meter herangetreten war und sich beide in die Augen sahen.

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Von ihrem Fenster hatte sie eine ziemlich gute Übersicht über das Geschehen, konnte dafür aber kein Wort hören. Sie sah wie nach einer kurzen Geste des Wartenden ein schwarzhaariger Typ kam, der ebenso gut ausgestattet war wie der Glatzkopf. In seiner Hand konnte sie eine Waffe glänzen sehen. Sie schluckte. Na hoffentlich ballern die sich nicht die Kugeln um die Ohren. Im Moment schien es so, als würden sie sich unterhalten. Auf jeden Fall bewegten sie sich nicht viel.

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Dies eine kleine Story von mir, die noch fortgesetzt wird.

Letzter Stand der Aktualisierung: 7.1.2008
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